Gedichte

Gedichte von Wolfgang Wagner
Aus dem Jahr 2003

Der Herbst mit Nebel, Regen, Trübsal hält mich kühl umfangen;
ich stapfe durch das erste frische Laub,
mich mit den Stöcken mühsam ab vom Boden stoßend;
von hoher Eiche trifft die Frucht mich hart auf meiner Schulter,
es gilt wohl langsam Abschied nehmen
von den langen späten Träumen,
der Durchblick kommt zu spät,
erst unter kahlen Bäumen:

Das Kleinkind ward aus Mutterlieb‘ gewarnt
vor einer Hexe,
die den Vater nahm;
was helfen sollte, wurde Fluch
für mich und alle, die mir wohl gesonnen;
so ist es also nun gekommen,
daß ich zur Einsamkeit der Jugendzeit zurückgekehrt.

Das Buch,
für eine Abkehr vom Zerstören,
nach langem Plan
ist es verfaßt:
es will doch keiner hören,
niemand prüfen, die Menschheit taub;
wer wird die Botschaft weitertragen?
und komm‘ ich auch ins Wanken,
weil Leid und Schwäche mich verzehren;
so möchte ich noch allen danken,

und alle um Verzeihung bitten,
die meinetwegen mit vergiftet waren:
es gibt ja leider ein Zuspät;
ich seh‘ nun schon seit vielen Jahren;
den Westen im Konsum verdorben;
von Gleichgültigkeit gelähmt,
von Mitleid hart gedrängt,
an die da draußen hungernden Millionen
zur Selbstbeschwichtigung, selbst hilflos, Spenden
mit vollen Händen
auszuteilen,
wie Christus einst am See Genezareth,
allein es fehlt die Kraft im Glauben,
auf Dauer kann das Füllhorn doch nicht taugen,
die Menschenflut strömt ein
gemäß der Großspur der Statuten
und es vermehren
sich der Haß, das Ausgrenzen ,Vernichten
und Zerstören,
der andre Gott, er ruft zum Kampf, zum Schlachten,
denn alle Zeichen stehen auf Gericht;
doch die Verblendeten, gerade auch die Christen,
sie sehen‘ s nicht,
das Schwert, das über ihren Köpfen hängt,
und das kennt kein Verschonen!

Man kann nur noch vermuten,
daß auf der ruinierten, abgebrannten Erde
die Menschen, die vielleicht
noch überleben,
dem rettenden Gesetze
der Natur und der Vernunft
in Übereinkunft
sich dann übergeben
und in den gewonnenen Millionen-
Jahren durch Verschonen;
unter Warten,
die Erde neu ergrünt mit Fülle neuer Arten:
Der neue Gott, der nicht auf Verehrung drängt,
in vorgeschriebenen Gestalten, Riten;
er läßt sich womöglich nicht erst bitten
um seine Gnade,
ist ein Gott der Wahrheit,
der auch die Wissenschaft erträgt;
verlangt nicht Aufopferung in Liebe,
fordert nicht den Haß,
und läßt doch zu, daß Menschen
in ihren Illusionen
weiterhin mit Freiheit wählen,
sich einen Himmel bauen
und sich mit einer Hölle quälen.

W.W., 2003